Die Grundbedürfnisse vom Hund

Muss „Auspowern“ wirklich sein?


Muss es sein, den Hund täglich auszupowern und körperlich zu erschöpfen? Mit dem Hund schnelle große Radrunden zu drehen, oder mit kurzer Leine, ohne das dein Hund schnüffeln kann zu Joggen oder zu Skaten. Dein Hund muss stetig darauf achten, dass er mit deinem Tempo mithalten kann.

Auch den Vierbeiner an das Laufband anzuleinen und ihn dadurch Bewegung zu verschaffen wird leider immer beliebter. Der Mensch muss sich nicht bewegen und es ist bequem, weil der Hund anschließend körperlich müde ist. Ein weiterer beliebter „Sport“ sind lange ausdauernde Wurf- und Hetzspiele auf der Wiese, oder ins Wasser.



Ich denke nicht, dass dieses „Auspowern“ sinnvoll ist. Wie würde es dir dabei ergehen, wenn dich dein Sozialpartner täglich auspowern möchte, damit du später körperlich erschöpft bist und einfach nur deine Ruhe haben möchtest. Glaubst du dass damit irgendwelche Probleme langfristig gelöst werden?

Wenn du deinen Hund täglich auspowerst, dann wird dieser in Zukunft noch mehr gestresst werden. Dein Hund wird hochtrainiert und fordert immer mehr Bewegung um wieder ruhig zu werden. Bei diesen sehr aktiven Bewegungsarten werden im Körper Stresshormone freigesetzt und der Körper wird aktiviert, anstatt runtergefahren. Wenn der Hund beim Laufen zurückfällt, nicht mehr nachkommt, er beginnt die Pfoten nachzuschleifen, ihm die Zunge weit heraushängt und erweiterte Pupillen zu sehen sind, dann kannst du dir sicher sein, dass es zu viel war. Eine Ruhepause ist dringend notwendig!



Eine Definition von Stress hat der Tierschutzforscher Donald Broom verfasst: „Stress findet dann statt, wenn die Anpassungsfähigkeit eines Tieres überfordert wird und dadurch das Tier auf lange Sicht Nachteile für Gesundheit erleidet.“

Nicht jede Form von Stress ist schlecht, ganz kannst du Stress ohnehin nicht vermeiden, aber bei chronischem Stress und wenn dein Hund nicht genügend Regenerationszeit bekommt, kann zu es gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen.

„Nach einem stressigen Ereignis kann es zwei bis sechs Tage dauern bis die Stresshormone wieder abgebaut sind.“ (Freiling 2015) Leider ist dies schwer messbar, wie schnell Stress wieder abgebaut wird. Dies hängt von der Dauer und Intensität des Stressereignisses ab und auch vom einzelnen Individuum. Es ist aber wichtig, dass nach diesen Situationen genügend Pause und Ruhe gegeben wird.

In der Zeit nach diesem Ereignis kann dein Hund überreizt, hibbelig, unkonzentriert bis hin zu aggressiv reagieren. Wenn du also deinen Hund oft mit „Sport“ auspowerst, passiert eigentlich genau das Gegenteil, er wird gepuscht und steht oft unter Stresseinfluss. Meistens beginnt sich das Rad von vorne zu drehen, der Hund wird noch mehr „ausgepowert“. Dabei würde so ein Hund mehr Ruhe und ruhige Beschäftigungen benötigen.

Gerade bei sehr aktiven Hunden ist es wichtig, dass sie lernen von sich aus Ruhe zu geben und auch dann werden sie keine Schlaftabletten sein. Das Schlaf- bzw. Ruhebedürfnis vom ausgewachsenen Hund ist 16-18 Stunden pro Tag, Welpen und Senioren benötigen noch mehr Ruhe.

Welche Grundbedürfnisse hat dein Hund?

Ein Hund benötigt für ein schönes Hundeleben folgende Dinge:

• Mindestens 1-2 Stunden Bewegung an der frischen Luft pro Tag (je nach Alter und Rasseabhängigkeit, mehr oder weniger) Beim Spaziergang sollte ausreichend die Möglichkeit zum Schnüffeln und Erkunden der Umgebung vorhanden sein. Hierbei sollte man seinem Hund Zeit geben. Einmal etwas schneller oder langsamer schadet natürlich keinem Hund.
Mehrmals täglich die Möglichkeit sich zu lösen und seine Geschäfte zu verrichten.

• Geistige Auslastung für den Hund. Hier reichen oft 10-15 min und der Hund ist zufrieden. Dazu gehört das Üben der Grunderziehungssignale, genauso wie das Erlernen von Tricks, oder das Ausarbeiten von Beschäftigugnsspielzeugen.

• Futter und Wasser in ausreichender Menge. (je nach Alter und Rasse, mehr oder weniger)

• Ausreichend Sozialkontakt mit Mensch und Hund. Alleine bleiben sollte jeder Hund lernen, aber alles mit Maß und Ziel. Länger wie 4-6 Stunden täglich sollte kein Hund alleine bleiben müssen. Ständiges wegsperren im Zwinger, oder Räumen halte ich nicht für ein hundegerechtes Leben. Ebenso ist ein stundenlanges Einsperren in eine Hundebox nicht sinnvoll und sogar strafbar, weil eine Box für längere Aufenthalte viel zu klein ist. Als Rückzugsort, oder im Auto ist die Hundebox natürlich eine sinnvolle Anschaffung.

Ob dein Hund Sozialkontakte mit anderen Hunde möchte oder nicht, hängt von seinen Erfahrungen ab. Er muss nicht mit jedem anderen Hund kompatibel sein, aber ein paar Hundefreunde wären erfreulich.
Falls dies nicht möglich ist, sind Social Walks – Lernspaziergänge eine gute Möglichkeit für den gesicherten Hundekontakt.

• Die Sicherheit des Hundes ist ein Grundrecht. Eine Bezugsperson die wohlwollend und positiv erzieht, Grenzen setzt, feste Rituale einhält und den Hund von Angst, Gewalt und Schmerz fern hält.

• Genügend Ruhe- und Schlafzeiten. Welpen und Senioren 20-22 Stunden, erwachsene Hunde 16-18 Stunden pro Tag.

• Gesundheitliche Maßnahmen und medizinisches Training. Dazu gehören tägliche Rituale wie zum Beispiel bürsten, Pfoten säubern bis hin zum Tierarztbesuch, falls es dem Hund schlecht geht. Auch der Besuch des Hundefrisörs fällt darunter, falls das Fell deines Vierbeiners besonderen Pflegebedarf hat.

Bei diversen Verhaltensproblemen hilft ein gutes strukturiertes Training mit Hilfe eines positiv trainierenden Trainer/in mehr, als tägliches „Auspowern“ und den Hund einfach nur körperlich müde zu machen. Vor allem packst du mit dem Training das Problem an der Wurzel und ihr werdet langsam zu einem tollen Team welches den Alltag gut meistern wird.

Was würde passieren wenn du krank bist, oder einmal keine Zeit hast mit dem Hund eine Stunde Rad zu fahren? Dann sind die selben Probleme welche du vorher hattest wieder da, oder sie sind verstärkt, weil du jetzt einen gut trainierten und sehr gut bemuskelten Hund hast. Der Hund hat jetzt mehr Ausdauer wie vor eurem Auspowertraining und das Problem ist wahrscheinlich mitgewachsen.



Wie viel Bewegung und Beschäftigung dein Hund benötigt ist natürlich Alters- und Rasseabhängig. Ich kann mit einem Welpen nicht die selben Spaziergänge machen wie mit einem ausgewachsenen Hund und auch ein älterer Hund kann nicht mehr die gleichen Spaziergänge bewältigen, wie ein junger Hund.
Begleithunderassen sind gemütlicher unterwegs wie viele Jagdhunderassen, oder Gebrauchshunderassen. Dies sollte man schon bei der Auswahl von einem Vierbeiners berücksichtigen. Wenn du dir nicht sicher bist welcher Vierbeiner in dein Leben passt, wende dich an einen guten Hundetrainer/in.

Ich setze eher auf Qualität der Beschäftigung und Bewegung, als auf Quantität. Ein ruhiger Spaziergang mit viel Schnüffelmöglichkeiten und eine spannende Umgebung zum Entdecken und du kommst mit einem entspannten ruhigen Hund nachhause. Ab und zu mit dem Hund zu joggen, oder langsam Rad zu fahren, oder den Hund sich mit Hundefreunden austoben zu lassen, dagegen spricht natürlich nichts. Wie bei jedem Sport sollte es vorher eine Aufwärm- und nachher eine Abkühlphase für die Muskulatur geben. Wenn dein Hund Stressanzeichen zeigt, dann lieber wieder etwas langsamer werden und eine Pause einlegen.

Beispiele für Stressymptome sind:

-    Starkes Hecheln
-    Körperliche Anspannung
-    Plötzliche Schuppenbildung/Haaren
-    Schwitzige Pfoten
-    Häufiges Gähnen
-    Zittern
-    Häufiges Schütteln/Kratzen
-    Der Hund macht ein Stressgesicht: Lefzen weit nach hinten, sodass Muskelwülste sichtbar sind, Ohren nach hinten gerichtet, angespannte Gesichtsmukulatur, erweiterte Pupillen, die Zunge ist spatelförmig, angespannt und hängt heraus.



Manchmal ist weniger mehr und weil wir Menschen oft durch den Alltag schon gestresst sind, können wir die Zeit mit dem Hund so richtig genießen und vom Alltag abschalten. Ich habe dir einige Beispiele für Entschleunigungsideen für deinen Spaziergang zusammengestellt:

• Wald- und Wiesenagility, so ruhig und langsam wie möglich

• Erkunden von einem Baumstamm/Wurzeln/Steinhaufen

• In den Wald setzen und lauschen welche Geräusche du hörst

• Einen Bachlauf beobachten und sich einfach einmal 10 min vom Rauschen berieseln lassen

• Anstatt das Spielzeug zu werfen, es verstecken und den Hund suchen lassen


Nach einem stressigen, oder aktiven Tag könnt ihr ruhig ein bis zwei Tage Pause einlegen, an welchen wenig aufregendes passiert. Dies ist nicht nur für deinen Hund vorteilhaft, sondern auch für dich. An diesen Tagen bietet es sich an deinen Hund ein Beschäftigungsspielzeug zu geben. Einige Auslastungsideen wären: einen Futterball füllen, ein befüllbares Hundespielzeug zum Ausschlecken anbieten, einen Schnüffelteppich ausarbeiten lassen, einen Kauknochen geben, oder ein bisschen Kopfarbeit machen wie zum Beispiel Clickertraining. Diese Beschäftigungen ermüden deinen Hundauf sanfte Weise. Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, da solltest du kreativ werden.

Hast du Fragen zur Beschäftigung oder Auslastung deines Hundes? Dann kannst du gerne bei mir nachfragen und ich werde dir ein ausgewogenes Beschäftigungs- und Bewegungsprogramm zusammenstellen.

Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogparade der VÖHT: FAIR statt fies!
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